Wie viel hält der Aktienmarkt noch aus?

 

Niemand kann heute seriös vorhersagen, wie lange der furchtbare Krieg in der Ukraine noch andauern wird. Der Krieg bringt seine Folgen mit, die die europäische Wirtschaft und vermutlich auch die Weltwirtschaft nachhaltig schwächen wird.

Die Nahrungsmittel- und Energiepreise werden vermutlich deutlich weiter steigen. Wenn das europäische Öl-Embargo wirksam wird und der Westen versucht, sich bei anderen Energiequellen wie Gas immer stärker von Russland unabhängig zu machen, wird dies die Preise weiter steigen lassen. Das Rezessionsrisiko in Europa wird größer werden.  Auch für die Stimmung bei Unternehmen und Privathaushalten ist ein Krieg vor der Haustür fatal. Die fiskalische Belastung Europas allein aus den Folgen des Krieges dürfte sich noch gar nicht komplett in den Aktienkursen abgebildet haben.

Die fiskalischen Ziele Westeuropas, etwa die geplante Rückkehr zur Schuldenbremse und dem Stabilitätspakt ist angesichts der Kriegsfolgen eher unwahrscheinlich. Allein die notwendige militärische Hilfe für die Ukraine dürfte etliche Milliarden kosten. Dazu kommen Kosten für die beschleunigte Umstellung von fossilen auf nachhaltige Energiequellen, um die fatale Abhängigkeit von Russland loszuwerden  sowie weitere direkte Kriegsfolgen wie etwa die Unterstützung der Geflüchteten.

Dazu ist es auch nicht förderlich, dass auch aus Asien immer mehr schlechtere Nahrichten kommen. Die großen Volkswirtschaften schwächeln nach wie vor. Hunderte Schiffe liegen vor der Küste Ostasiens fest und können entweder nicht gelöscht oder nicht neu beladen werden, so dass Lieferungskettenprobleme und Angebotsknappheiten auch hier zu Lande nur eine Frage der Zeit sind. Schon jetzt spiegelt sich das in der Industrie und den Exportdaten wider. Millionenmetropolen wie Shanghai sind seit mehr als sechs Wochen im Lockdown. Hintergrund des Rückgangs sind die umfassenden Beschränkungen für viele Unternehmen in China durch die strenge chinesische Null-Covid-Politik. Sie beeinträchtigt den Frachtverkehr stark.  Dazu leidet China’s Export unter den Folgen des Ukraine Konfliktes. Die teuren Preise lassen den europäischen Bürgern weniger Geld für Konsumgüterprodukte „Made in China“ übrig.

Gute Nachrichten gibt es dagegen von den Notenbanken.

Denn schwächeres Wachstum bedeutet auch, dass die Zentralbanken vermutlich nicht so stark einbremsen werden können, wie der Markt derzeit einpreist. Die EZB hat in ihren volkswirtschaftlichen Vorhersagen vom März noch eine Wachstumsschätzung für den Euro-Raum von 3,7% in den Raum gestellt. Das war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon Makulatur als die Prognosen veröffentlich wurden. Am 09. Juni bei der nächsten Tagung dürfte dieser Wert wahrscheinlich deutlich nach unten kommen und sich dann erweisen, dass das, was die Märkte von der EZB erwarten, nicht geliefert wird. Das dürfte dann für leichte Entspannungen an der Zinsfront führen. Die EZB könnte dann nach Beendigung der Anleihekäufe, etwa im Juli oder September, beginnen, den negativen Einlagezins Richtung null zurückzuführen, ohne aber die Leitzinsen auf das neutrale Niveau oder gar darüber hinaus anzuheben.

Es spricht also einiges dafür, dass der Markt mit drei oder mehr eingepreisten Zinserhöhungen übers Ziel hinausgeschossen ist. Für Aktien und andere Risikoanlagen wäre das eine gute Nachricht mit Blick auf die zweite Jahreshälfte.

Und gute Nachrichten können wir ja alle derzeit gut gebrauchen.