Neue Horizonte: Positive Zinsen gestalten die Finanzwelt
Anpassungsnotwendigkeiten für Unternehmen, Staaten und Anleger in Zeiten des Wandels
Was bedeuten die gestiegenen Zinsen für die Wirtschaft?
Die unmittelbarste und direkte Auswirkung für den Kapitalanleger ist, dass er wieder attraktive Zinsprodukte neben der Aktie bekommt. Die 1-jährige Bundesanleihe bringt eine Rendite von 3,6% oder aber das täglich verfügbare Tagesgeld bietet je nach Anbieter schon 4%. Das sind Alternativen, die man in den vergangenen Jahren so nicht vorgefunden hat. Das ist zum einen natürlich eine positive Auswirkung für den Sparer. Negativ allerdings wirkt sich der hohe Zins auf die Bewertung von Vermögensgegenständen und auf die Profitabilität von Unternehmen durch gestiegene Kapitalkosten aus.
Was haben Zinsen mit der Bewertung von Vermögensgegenständen zu tun?
Wenn der Zins gleich Null ist wie es in der jüngsten Vergangenheit war, dann können Preise von Vermögensgegenständen nahezu unbegrenzt hoch liegen. Wenn die Zinsen jetzt aber hoch sind, dann wirkt es umgekehrt wie eine Schwerkraft auf die Preise von Vermögensgegenstände.
Warum ist das so?
Weil viele Analysten eine Bewertungsmethode anwenden. Wenn man zum Beispiel den heutigen Wert eines Unternehmens erreichen möchte, dann muss man die in Zukunft liegenden Bargeldüberschüsse, die ein Unternehmen generieren kann abzinsen, mit einem aktuellen Zinssatz, um dann einen aktuellen fairen Unternehmenswert errechnen zu können. Und wenn nun der Leitzins steigt, dann steigt auch in diesen Modellen dieser Abzinsungssatz und damit fällt der Unternehmenswert in der Gegenwart.
Im Juni 2022 haben die Notenbanken den Startschuss für den schnellsten und aggressivsten Zinserhöhungszyklus eingeläutet. Das führte zum Beispiel zum Börsencrash der unprofitablen US-Technologiewerten in zweiter Reihe. Wir hatten zudem ein Stillstand bei den Fusionen und Übernahmen erlebt und wir haben ein Einbrechen des Immobilienmarktes erlebt, der sich heute noch fortsetzt. Aktuell geht man nicht von fallenden Zinsen aus, so dass wir mit hohen Zinsen und gestiegenen Kapitalkosten umgehen müssen. Das wird dafür sorgen, dass die Unternehmenspleiten weiter zunehmen werden. In den USA haben viele Unternehmen diese Niedrigzinsphase clever genutzt und sich langfristig mit einem niedrigen Zins verschuldet, um sich zu refinanzieren. 50% der Schulden der Unternehmen im amerikanischen S&P500 Aktienindex müssen sich erst bis 2030 refinanzieren. Kritisch wird es allerdings bei den sogenannten Zombie-Unternehmen. Im Hochzinsanleihen-Bereich kommt eine Refinanzierungswelle schon zeitiger auf die Unternehmen zu. Das führt dazu, dass diese Zombie-Unternehmen ihre Zinslast nicht aus den operativen Tagesgeschäft, also aus ihrem Cashflow begleichen können. Diese Unternehmen sind immer wieder auf externe Finanzierungen angewiesen. Und nun müssen sich diese Unternehmen in Zukunft sich ja noch teurer refinanzieren, und dort wird es zu Pleitewellen kommen.
Nun müssen sich aber nicht nur Unternehmen, sondern auch Staaten refinanzieren. Höhere Zinsen führen bei den Staaten zu einer höheren Schuldenlast. Deutschland musste im Jahr 2021 ca. 4 Mrd € an Zinsen ausgeben. Nach der Berechnung vom Bundesfinanzministerium sind es in diesem Jahr schon 40 Mrd. In den USA betragen die Zinsausgaben bereits 2% der gesamten Wirtschaftsleistung. Diese Summe wird sich in den nächsten 7 Jahren auf 4% verdoppeln! Und die USA haben ja jetzt schon ein Defizit zwischen Ausgaben und Einnahmen und dort sind die Zinsausgaben noch gar nicht eingerechnet. Wir können festhalten: Staaten müssen sich auf einen höheren Schuldendienst einstellen. Bedeutet, Schulden drücken, Einnahmen erhöhen.
Weshalb ist die Abzinsung für den Anleger von Bedeutung?
Die Abzinsung spielt eine entscheidende Rolle, da sie ermöglicht, Zahlungen und Investitionen zu vergleichen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden. Insbesondere beim Anlegen gewinnt dieses Prinzip an enormer Wichtigkeit. Wenn beispielsweise die Absicht besteht, in eine Immobilie zu investieren und mehrere Optionen in der engeren Auswahl stehen, ist die Anwendung der Abzinsung entscheidend. Sie ermöglicht die Berechnung, welche dieser Möglichkeiten langfristig die rentabelste ist.
Wer in Immobilien investiert hat, verwendet die Abzinsung, um die Rentabilität der Investition zu bestimmen. Zusätzlich ermöglicht sie die Überprüfung, welches Anfangskapital erforderlich ist, um einen bestimmten Betrag zu erwirtschaften.
Nehmen wir das Beispiel eines Kapitalanlegers. Dieser beabsichtigte den Kauf einer Immobilie, die in 20 Jahren einen Wert von 400.000 Euro haben soll. Um herauszufinden, wie viel er heute investieren muss, unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von drei Prozent, verwendet er die Abzinsungsformel:
400.000€×1(1+0,03)20=221,483,94400 ,000×(1+0,03 )201=221.483,94€
Der berechnete Wert zeigt, dass der Anleger heute 221.483,94 Euro investieren müsste, um in 20 Jahren einen Barwert von 400.000 Euro zu erreichen. Es erfolgt die Berechnung des Barwerts, auch als aktueller Zeitwert bezeichnet, um den Wert einer zukünftigen Zahlung oder eines Zahlungsstroms zu ermitteln. Dabei wird der zeitliche Eingang des Free Cash Flows berücksichtigt, indem die künftigen Free Cash Flows auf ihren gegenwärtigen Wert abgezinst werden. Bei einer Verschiebung einer Zahlung in die Vergangenheit wird deutlich, dass Geld, das früher verdient und angelegt wird, einen höheren Wert hat als Geld, das später verdient wird.
Wenn wir von einem Wachstum des Unternehmens ausgehen, ist es anzunehmen, dass auch die künftigen Cashflows steigen werden. Dennoch ist zu beachten, dass ein Cashflow von 100.000 EUR in 20 Jahren weniger wert ist als zum aktuellen Zeitpunkt. Dies liegt daran, dass die Cashflows der Zukunft auf den heutigen Tag abgezinst werden. Hierdurch wird der Kapitalwert eines Unternehmens oder einer Investition ermittelt. Der Prozentsatz, der für die Abzinsung verwendet wird, kann je nach Unternehmen variieren. Gleichzeitig dient die Abzinsung dazu, zu verhindern, dass die unendliche Unternehmenslaufzeit zu einem enorm hohen Unternehmenswert führt.
Der aktuelle Wert von 50 EUR, der voraussichtlich erst in 10 Jahren eintrifft, ist effektiv geringer als der Wert von 50 EUR, die sich bereits heute auf unserem Konto befinden. Dies liegt daran, dass wir die 50 EUR heute bereits für 10 Jahre anlegen könnten und nach Ablauf dieser Zeit ein entsprechend höheres Vermögen hätten. Um den Einfluss des zeitlichen Eingangs der Free Cash Flows zu berücksichtigen, werden die zukünftigen Free Cash Flows auf ihren heutigen Wert abgezinst. In einfacheren Worten ausgedrückt: Angenommen, Investoren erwarten eine Rendite von 7 %, dann beträgt der aktuelle Wert von 50 EUR in 10 Jahren nur 25 EUR. Dies liegt daran, dass wir die 25 EUR heute für 10 Jahre zu einer unerwarteten Rendite von 7 % anlegen könnten und nach 10 Jahren wieder 50 EUR hätten (48,35 EUR aus Zinsen, Wertzuwachs 9,67 %).