Fed vs EZB – wer nimmt zuerst den Fuß von der Bremse?

 

Der größte Anteil der Preissteigerungen in unserem Land ist darauf zurückzuführen, dass sich Importe verteuert haben. Viele Unternehmen müssen zuerst importieren, bevor sie exportieren können. Die Preise für Energie und Rohstoffe haben sich um einiges vervielfacht. Zusätzlich haben wir eine extreme Abwertung unserer Währung Euro. Anders sieht es dagegen in den USA aus. Der starke US-Dollar verbilligt die Importe ins eigene Land. Dazu haben die Amerikaner keine Energieknappheit. Die gestiegenen Preise sorgen dafür, dass der Export von Fracking-Gas zu Höchstpreisen beispielsweise nach Deutschland verkauft werden kann. Der größte Auslöser der Preissteigerungen in den USA ist auf die gestiegenen Löhne zurückzuführen.

Würde man heute einen Vergleich der beiden Länder aufstellen, so würde man gemessen an der finanziellen Situation, feststellen, dass der Gewinn an Wohlstand innerhalb der Bevölkerung in den USA gegenüber Deutschland im letzten Jahr erheblich zugenommen hat. Die Gehälter in den USA stiegen doppelt so stark. Zudem hat der US-Dollar gegenüber dem Euro sehr stark aufgewertet. Bei den Unternehmen sieht man ein ähnliches Bild.

Die Nettoumsatzrenditen fielen in den USA in 2021 mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland aus.

 

Deutschland braucht einen starken Euro!

Das Problem in Deutschland ist vielmehr unsere Wirtschaftspolitik. Unser Wohlstand war in der Vergangenheit von günstiger Energie getrieben. Kein anderes Land hat sein Geschäftsmodell auf einen operativen Hebel günstiger Energie so aufgebaut wie Deutschland. Die Politik hatte ausgerechnet, dass der operative Hebel der deutschen Wirtschaft 1 zu 100 beträgt. Das bedeutet, dass aus jedem Euro, der für russisches Gas ausgegeben wurde, 100 Euro produzierte Güter entstanden. Dieser Hebel ist einer der höchsten, den wir in der Weltwirtschaft sehen. Nun wirkt der Hebel aber auch in die andere Richtung.

Die Kosten für Gas und Strom werden weiterhin hoch bleiben. Das Risiko, dass über den Winter viele Unternehmen in die Insolvenz gehen, dass Arbeitsplätze verloren gehen und die Kaufkraft der Verbraucher weiterhin erodiert wird, durch hohe Energiepreise, das ist sehr hoch. Selbst wenn wir erfolgreiche Meldung von der Front bekommen, dass die ukrainische Armee Teile des Landes zurückerobert. Ein zeitnahes Ende des Krieges ist wohl eher unwahrscheinlich. Selbst wenn es so wäre, dann dürften die wirtschaftlichen Folgen noch eine ganze Weile zu spüren sein.

Die eigene Energieversorgung nach und nach herunterzufahren, war schon unter Bundeskanzlerin Angela Merkel realitätsfremd und international einzigartig. Unser Geschäftsmodell beruht darauf Halbfertigprodukte zu importieren, diese zu veredeln und wieder zu exportieren. Solch ein Geschäftsmodell benötigt zwingend eine starke Währung. Der Euro wird die Inflation überleben, aber wenn unsere Wirtschaftspolitik so weitergeht, dann werden wir die deutsche Wirtschaft in ein paar Jahren nicht wiedererkennen.

Dass die Zentralbanken wirklich bereit sind, die Nachfrage dem verknappten Angebot anzupassen, mit anderen Worten eine Rezession zu riskieren, um die Inflation einzudämmen, ist inzwischen klar geworden. Hier stellt sich die Frage, welche Zentralbank zuerst mit den Zinsanpassungen aufhört und den Fuß von der Bremse nimmt. Gerade mit Hinblick auf den extrem schwachen Euro und dem starken Dollar.

 

Zwei Gründe könnten dafürsprechen, dass die EZB zuerst mit dem Zinsanhebungen aufhört.

Erstens: Der erste Grund liegt in der Tatsache, dass das neutrale Zinsniveau, also jenes, bei dem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weder stimuliert noch gebremst wird, in Europa etwas niedriger liegen dürfte als in den USA. Infolge der zurzeit an allen Fronten hohen Unsicherheit ist die Schätzung dieses neutralen Zinses extrem unsicher, wir können aber davon ausgehen, dass er in den USA zwischen einem halben und einem Prozentpunkt höher liegt. Die EZB muss gar nicht so stark einbremsen, um die selbe Wirkung zu erzielen wie in den USA.

Zweitens könnte die europäische Wirtschaft im Winter tiefer in die Rezession gehen als die amerikanische und das nimmt einen Teil des Jobs der EZB ab. Das liegt daran, dass die Energiepreise die europäische Volkswirtschaft viel härter treffen. Europäische Haushalte und Unternehmen geben in etwa doppelt so viel für Energie aus wie in den Vereinigten Staaten.

Damit dürfte die EZB schneller und auf einem niedrigeren Niveau gelangen. Damit sollte eine weitere Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro zu erwarten sein.

Für die Aktien bedeutet dieses gesamte Spannungsfeld, dass wir noch nicht durch den Bärenmarkt durch sind. Es ist aber eine durchaus realistische Chance da, dass wir das hinter uns haben. Aber das Risiko besteht, dass wir nach einer Jahresendrally einen neuen Anlauf Richtung Bärenmarkt starten. Dieses Szenario hängt stark von den Zentralbanken ab. Wenn die zu lange bremsen, dann kann es sein, dass wir nochmal einen Anlauf nach unten machen. Betrachten wir die negative Stimmung und deren langes Anhalten, sehen wir Hinweise, dass wir Richtung Bodenbildung gelangen können.

 

Fazit:

Die Inflation bleibt weiter herausfordernd für die Zentralbanken

Eine Abkühlung der Inflation ist aber zu erwarten

Rezession dürfte für Nachfragerückgang sorgen

Stimmungsindikatoren, Saison-Rhythmus und Bewertungen sprechen für Erholung der Aktien.

 

Für Privatanleger bietet die derzeitige Situation aber auch viele Chancen, denn der internationale Kapitalmarkt bietet Lösungen. Ein bekanntes Sprichwort von André Kostolany lautet: „Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der hat sie auch nicht, wenn sie steigen.“.